Trockenlegung des Oderbruchs
Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. hatte bereits 1718 bis 1725 die Havelbrüche entwässert. Die Politik der Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen setzte er 1539 mit dem Bau von Sommerdeichen an der Oder zwischen Küstrin und Lebus fort. Der Fluss lag höher und war leichter zu kontrollieren als im nördlichen Oderbruch. Die Verwüstungen des 30-jährigen Krieges hatten zu vielen Verlusten ehedem gewonnener Flächen geführt. Der Soldatenkönig hatte das Heer mächtig vergrößert und benötigte Wiesenflächen zur Versorgung der Kavallerie. So ließ er einen durchgehenden Deich von Zellin, ein wenig nördlich von Güstebiese, bis Lebus bauen und zwar einen Winterdeich, der nicht wie die Sommerdeiche im Winter überspült wurde. Nach einem Jahr verstarb er, sein Sohn Friedrich II (der Große) widmete sich ab 1740 dieser Aufgabe.
Es passierte, was immer passiert, auch heute noch, es wird eingedeicht und flussabwärts vergrößern sich die Hochwasserkalamitäten. Im eingedeichten Gebiet hatte die Oder eine Höhe von 12–14 m über NHN, während im nördlichen Teil des Bruchs bei einer Höhe von 2–4 m über NHN der Abfluss der Oder sehr langsam war und bei Hochwasser dieses stauend die Talauen überflutete.
Der holländische Wasserbauingenieur von Haerlem wurde deshalb mit der Planung der vollständigen Eindeichung des Bruchs beauftragt. Das Gefälle sollte mittels einer Kürzung der Fließstrecke verstärkt und damit der Abfluss beschleunigt werden. Der Plan sah vor:
- Der Bau eines neuen Flussbetts von Güstebiese nach Hohensaaten, zum schnelleren Abfluss des Oderwassers. Mit 20 km Länge war er 24 km kürzer als der ursprüngliche Verlauf über Wriezen und Freienwalde und hatte somit ein stärkeres Gefälle.
- Die beidseitige Einfassung der Oder mit kräftigen Winterdeichen.
- Das Binnenwasser zu sammeln und abzuführen, wozu man das ursprüngliche Flussbett nutzt, siehe Alte und Stille Oder.
Die geplante Trockenlegung des Oderbruchs fand geteilte Zustimmung und vielfach Kritik.
1747 wurde mit den Arbeiten begonnen und ständig 1000 Arbeitskräfte eingesetzt. Die entscheidende Idee war, einen Teil der Pommerschen Endmoräne, die Neuenhagener Landzunge am Krummen Ort bei Hohenwutzen, zu durchbrechen und für das neue von Güstebiese kommende Flussbett freizulegen.
Aus der Neuenhagener Landzunge wurde damit die Neuenhagener Insel. 1752 wurden die Kanalbauarbeiten bei Lietzegöricke und Zäckerick beendet und schlussendlich 1753 bei Güstebiese das neue Flussbett geöffnet.
1763 wurden die Arbeiten beendet, es waren 32.500 ha Ackerland gewonnen worden. Anschließend ließ Friedrich II von 1763 bis 1767 noch das in die Oder mündende Warthebruch trockenlegen.
Gleich nach dem Ende der Baumaßnahmen begann die Besiedlung des trockengelegten Landes. Die neuen Orte wurden als Straßendörfer angelegt und es sollten schlichte Bauten sein, „keine Paläste“, wie es der König zu sagen pflegte. In jedem Ort sollte ein Betraum sein, so entwickelte Schinkel die für das Oderbruch typische Kombination eines Schul- und Gebethauses, z.B. in Wuschewier zu sehen.
Sie erhielten oft mit der Vorsilbe Neu“ den Namen in der Nähe bestehender Orte. So hieß der erste neugegründete Ort Neulietzegöricke nach dem rechtsseitigen Lietzegöricke.
Mit der Besiedlung des Oderbruchs wurden 33 neue Bauerndörfer und 7 Spinnersiedlungen gegründet, in denen 1.134 Bauern- und 363 Spinnerfamilien mit etwa 7.000 Personen angeworben, angesiedelt und mit Rechten ausgestattet wurden, die in der französischen Revolution von 1789 erst blutig erkämpft werden mussten. Sie ließen sich aus der Pfalz, Sachsen, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Mecklenburg sowie aus Polen, Böhmen, Österreich und dem Schweizer Kanton Neuenburg anwerben: Jede Familie erhielt Land, je nach Familiengröße zwischen 10 und 90 Morgen; die Religionsausübung war frei, Prediger und Kirchen bezahlte der König; in jedem Dorf gab es eine kostenlose Schule; alle Neusiedler erhielten 15 Jahre Steuerfreiheit, sie und ihre Kinder und Kindeskinder wurden vom Militärdienst befreit.
Für die Kolonisten hat sich das Unterfangen wohl erst später gelohnt. Es hieß damals: „Die erste Generation arbeitet sich tot, die zweite leidet Not, die dritte findet ihr Brot.“ Die Kosten für die Trockenlegung werden mit 600.000 Talern beziffert. Der Siebenjährige Krieg kostete der Staatskasse Preußens nahezu 139 Millionen Taler und den Tod für 400.000 Menschen.
Das lässt sich gegenrechnen. Friedrich II hat über 1.000 Dörfer gegründet und 300.000 Menschen eine neue Heimat gegeben. Es war die Zeit des Merkantilismus, es galt, die Größe der Staaten zeige sich im Wirtschaftsleben, und so hatte bereits Friedrichs Vater, der Soldatenkönig, den bedeutendsten Kameralisten und Verfechter der Peuplierung, der Steigerung der Einwohnerzahl, Veit Ludwig von Seckendorff, nach der Veröffentlichung seiner diesbezüglichen Schrift „Teutsche Fürstenstaat“ nach Preußen geholt.
Die Kolonistenhäuser wurden zunehmend überbelegt. Dies war eine Folge des ursprünglichen Aufschwungs, die mit den Vergünstigungen von Friedrich II. ihren Anfang nahm. Nach dem Aufschwung setzte eine rasch anwachsende Landarmut ein. Die Folge daraus war eine Auswanderungsflut in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Von den 470 Einwohnern Wuschewiers wanderten 80 nach Amerika aus. Eine Ironie der frühkapitalistischen Kolonisationsgeschichte des Oderbruchs.
Im weiteren Verlauf erfolgte der Anbau von Zuckerrüben und Zuckerfabriken wurden in Betrieb genommen und zu Beginn des vorigen Jahrhunderts etablierte sich der Frühgemüseanbau unter Glas- und Freilandkultur, Tabak wurde nicht so stark wie im Unteren Odertal angebaut.

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