Thaers Weg nach Möglin

Im Havel­land war Peter Alex­an­der von Itzen­plitz Land­rat, er hatte schon früh die engli­sche Land­wirt­schaft erforscht und freun­dete sich bei dem gemein­sa­men Inter­esse mit Albrecht Thaer an. Gemein­sam waren sie in Kuners­dorf auf dem Gut seiner Schwie­ger­mut­ter Helene Char­lotte von Fried­land.

Helene Char­lotte von Borcke ließ sich wegen Untreue nach nur einem Jahr schei­den, war zutiefst gede­mü­tigt und führte mit Geneh­mi­gung des Königs nunmehr den Namen von Fried­land.

Nach dem Tod des Vaters über­nahm sie die Bewirt­schaf­tung der Güter. Sie verkaufte ihren Schmuck und Prezio­sen zur finan­zi­el­len Siche­rung. Sie sucht. Akzep­tanz bei den Nach­barn und der Land­be­völ­ke­rung und kämpfte im Klei­nen für Eman­zi­pa­tion.

Allein­er­zie­hend bewirt­schaf­tete sie ein großes und bedeut­sa­mes Gut in Kuners­dorf  (4 km südl. von Wrie­zen, nicht der Ort der Nieder­lage von Fried­rich d. Gr. im Sieben­jäh­ri­gen Krieg gegen­über von Frankfurt/O., heute Kuno­vice). Mit ihrer Koppel­wirt­schaft erzielte sie ein Fünf­fa­ches des übli­chen Ertra­ges. Dies ist eine Feld­gras­wirt­schaft, bei der die Flächen in einem regel­mä­ßi­gen Wech­sel als Weide und als Acker genutzt werden. (In Schles­wig-Holstein werden die Flächen mit Wall­hecken einge­hegt, die Wirt­schafts­weise ist im gesam­ten Ostsee­raum anzu­tref­fen).

Übli­cher­weise trafen sich auf derar­ti­gen Land­gü­tern bei Gesell­schaf­ten im Ruhe­stand befind­li­che Offi­ziere, sie spiel­ten dann Karten, tran­ken und unter­hiel­ten sich. Derar­ti­ges war jedoch nicht die Sache von Frau von Fried­land. Sie wollte eine anspruchs­volle und kultu­relle Gesell­schaft, insbe­son­dere an Bota­ni­kern war sie inter­es­siert.

Dies schil­dert Fontane sehr schön. So war sie mit der Berli­ner Gesell­schaft verbun­den, Fontane nennt als Gäste in Kuners­dorf u.a. Nico­lai, Rauch, Fried­rich Tieck, Scha­dow, Klaproth, Wilde­now, Lich­ten­stein, Erman, beide Humboldts, Chamisso, Leopold von Buch, Savi­gny, Ranke und Knese­beck.

Von seinem 2. Besuch 1801 im Oder­bruch berich­tete Thaer:

Helene Charlotte von Lestwitz
Helene Char­lotte von Lest­witz, genannt von Fried­land. Gregor Rom, CC BY-SA 4.0

“Auf der Grenze ihrer Herr­schaft kam uns Frau von Fried­land, eine der merk­wür­dig­sten Frauen, die je existiert haben, in vollem Trabe entge­gen, sprang vom Pferde und setzte sich zu uns in den Wagen. Nun ging es in vollem Galopp über Dämme und Gräben weg. Wir fuhren vier volle Stun­den von einem Ort zum andern. Fünf bis sechs Verwal­ter, Schrei­ber usw. waren immer neben und hinter dem Wagen, und muss­ten bald eine Herde Kühe, bald eine Herde Schafe oder Schweine herbei­ho­len. Da indes­sen einige der Gesell­schaft nicht länger verheh­len konn­ten, dass ihnen nach einem Imbiss verlange, sagte Frau von Fried­land: ›Wir sind sehr bald zu Hause; wollen Sie aber im Freien essen, kann ich Ihnen sogleich etwas schaf­fen.‹ Als wir letz­te­res versi­cher­ten, ging es sofort in einen präch­ti­gen Wald hinein, einen stei­len Berg hinauf, wo wir erst ein Feuer und bald darauf eine gedeckte Tafel erblick­ten, auf einem Platze, wo wir im Vorder­grunde dichte Waldung, zur Seite einen großen See und in der Ferne eine weite Aussicht in das herr­li­che Oder­bruch hatten. Eine Menge von Schüs­seln, die schön­sten Weine, und ein Dessert von Ananas, 

Wein­trau­ben usw. ward aufge­tra­gen. Aber sie ließ uns zum Essen und Trin­ken nicht eben viel Zeit. Es ging bald wieder fort, von einer Feld­flur zur andern, und so waren wir gewiss fünf­zehn Meilen die Kreuz und Quer gefah­ren, ehe wir auf ihrem gewöhn­li­chen Wohn­sitze, auf Schloss Kuners­dorf, anka­men.“
Und weiter schreibt er: “Heute von morgens sechs Uhr an, bis jetzt, abends zehn Uhr, hat sie uns nicht fünf Minu­ten Ruhe gelas­sen. Wir haben gewiss vier Spann Pferde müde gefah­ren. So etwas von Akti­vi­tät ist mir noch nie vorge­kom­men. Sie hat über ein Dutzend Verwal­ter, Schrei­ber und Meier, und dennoch kennt sie jeden klei­nen Garten­fleck, jeden Baum, jedes Pferd, jede Kuh, und bemerkt jeden klei­nen Fehler, der in der Bestel­lung vorge­fal­len ist, jede Lücke in einer Hecke, jeden falsch­ge­stell­ten Pflug. Sie hat nicht nur mehrere große Brannt­wein­bren­ne­reien und Braue­reien, sondern betreibt auch ein star­kes Mühlen­ge­werbe, weshalb sie sich förm­lich in das Müller­ge­werk hat einschrei­ben lassen, so dass sie das Meister­recht hat, und Lehr­bur­schen ein- und losschrei­ben kann.”

Die poli­ti­sche Lage und die Einla­dung aus Preu­ßen

1803 hatte Thaer seine Fami­lie sicher­heits­hal­ber nach Kunders­dorf geschickt. Währen der napo­leo­ni­schen Kriege war das mit der engli­schen Krone in Perso­nal­union geführ­te­Kur­für­sten­tum Hanno­ver von fran­zö­si­schen Trup­pen besetzt worden. Thaers Unzu­frie­den­heit mit der Besat­zung und vor allem sein zuneh­men­den Kontakt mit preu­ßi­schen Refor­mern orien­tier­ten ihn um, von Harden­berg kannte er noch aus seiner Studi­en­zeit.

Der König Fried­rich Wilhelm III, dem er vier Jahre zuvor sein Buch über die „Engli­schen Land­wirth­schaft“ geschickt hatte, äußerte “mit Vergnügen vernom­men (zu haben), dass Sie entschlos­sen sind, sich in Meinen Staa­ten nieder­zu­las­sen und Ihr land­wirth­schaft­li­ches Lehr­in­sti­tut hier­her zu verle­gen.”

Er wurde Mitglied der Akade­mie der Wissen­schaf­ten und erhielt 1810 eine Profes­sur an der neu errich­te­ten Berli­ner Univer­si­tät.

Thaer erhielt 400 Morgen Land, dass er veräu­ßern und sich als Bürger­li­cher (!) ein Ritter­gut kaufen durfte, das war dann das herun­ter­ge­kom­mene Gut Möglin, 4 km von Kuners­dorf entfernt.

Mit 52 Jahren stellte sich Thaer völlig neuen Heraus­for­de­run­gen, entwickelte eine konsi­stente Theo­rie einer Ratio­nel­len Land­wirt­schaft, die er dann in allen Berei­chen erfolg­reich erprobte. Schließ­lich hat Thaer an den preu­ßi­schen Agrar­re­for­men mitge­ar­bei­tet, insbe­son­dere dem Landes­kul­tur­edikt von 1811 und der Gemein­heits­tei­lungs­ord­nung von 1821, die eine wich­tige Basis für die Bildung eines freien Bauern­stan­des bilde­ten. Dies hatte ihn bereits an der franz­pö­si­chen Revo­lu­tion begei­stert, der Über­win­dung des Feuda­lis­mus.