Peuplie­rung und Merkan­ti­lis­mus

Reli­gi­ons­flücht­linge und Arbeits­mi­gran­ten

In der Zeit Fried­rich des Großen wurden in Preu­ßen über 1000 neue Dörfer besie­delt und es kamen ca. 300 Tausend Einwan­de­rer ins Land, aller­dings forder­ten die Schle­si­schen Kriege auch 400 Tausend Leben. Es ist bekannt, dass Fried­rich II als aufge­klär­ter und abso­lu­ti­sti­scher Herr­scher mit dem Verspre­chen der Reli­gi­ons­frei­heit Flücht­linge einlud. Die großen Umwäl­zun­gen und demo­gra­phi­schen Verwer­fun­gen nutzte er mit Land­ver­spre­chun­gen an Sied­ler aus über­be­völ­ker­ten oder poli­tisch unru­hi­gen Staa­ten.

Es wurden Arbeits­kräfte ange­wor­ben. In Müggel­heim bei Köpe­nick wurden Kolo­ni­sten aus der Pfalz ange­sie­delt, die Pfalz war prote­stan­tisch, die Kolo­ni­sten auch und ebenso die Hohen­zol­lern. Sie erhiel­ten zwar Privi­le­gien, z.B. drei  Gene­ra­tio­nen Befrei­ung vom Kriegs­dienst, muss­ten jedoch jahre­lang bei der Rodung und Kulti­vie­rung des Landes mit den kargen Sand­bö­den arbei­ten und waren bettel­arm, bis sie sich eine Existenz hatten schaf­fen können. So waren die Groß­ko­lo­ni­sten­stel­len im Oder­bruch mit 6 Morgen Land wenig beliebt, denn diese 12.500 m2 muss­ten erst einmal urbar gemacht werden.

Mit den neuen land­wirt­schaft­li­chen Nutz­flä­chen und den impor­tier­ten neuen Kartof­feln sollte der Hunger bekämpft werden. Aber, wenn die Nahrungs­mit­tel so knapp sind, dann muss man doch nicht 300.000 Menschen aufneh­men, fragte ich mich oft. Er brauchte Solda­ten und Solda­ten gebä­rende Mütter, war meine schlichte Anschau­ung, doch diese Sicht­weise war deut­lich zu kurz gegrif­fen. Die syste­ma­ti­sche Wieder­be­sied­lung oder Peuplie­rung stand ganz im Dienst des Merkan­ti­lis­mus und das war der Geist der Zeit.

Die Ansied­lung von Flüch­ten­den und Vertrie­be­nen begann bereits im 16. Jh. beid­seits des Rheins, Flücht­linge aus Frank­reich und Holland. Die Steue­rung der Konfes­si­ons­mi­gra­tion erfolgte jedoch zugleich mit volks­wirt­schaft­li­chen Argu­men­ten.

Zuwachs in der Beschäf­ti­gungs­bi­lanz
zur Mehrung der Staats­ein­nah­men    

Mit Beginn der Neuzeit wurde Abstand von der simp­len Gleich­set­zung viel Geld = viel Reich­tum genom­men, sondern die Merkan­ti­li­sten woll­ten mit der Stei­ge­rung der Produk­tion durch verstärk­ten Geld­um­lauf und Handels­bi­lanz­über­schüs­sen mit verstärk­ter Inlands­be­schäf­ti­gung die Staats­ein­nah­men mehren. Die Gewinne wurden aus dem Handel ange­strebt und wie in einem Null­sum­men­spiel konnte der Wohl­stand einer Nation nur auf Kosten einer ande­ren erfol­gen.

Kameralist
Veit Ludwig von Secken­dorff (Kupfer­stich von Martin Berni­ge­roth, 1701). Deut­sches Huge­not­ten­mu­seum.

Ein wenig davon abwei­chend sahen dies die Kame­ra­li­sten, eine deut­sche Spiel­art des Merkan­ti­lis­mus. In vielen Teilen Mittel­eu­ro­pas, insbes. in der Mark Bran­den­burg, hatte der Drei­ßig­jäh­rige Krieg die Bevöl­ke­rung mehr als halbiert. In der Folge gab es enorme Produk­ti­ons­rück­gänge, die auch die Land­wirt­schaft betra­fen. Unver­züg­lich war mit dem Wieder­auf­bau zu begin­nen und Menschen waren anzu­sie­deln. Hier galt nicht die merkan­ti­li­sti­sche Annahme, viele Menschen an einem Ort ermög­li­chen Handel und wirt­schaft­li­che Wohl­fahrt — es gab ja gar nicht viele Menschen.

Statt­des­sen ging man davon aus, dass der Wohl­stand nicht erst im Handel entsteht, sondern bereits bei der Produk­tion. Der säch­si­sche Gelehrte von Secken­dorff forderte und begrün­dete dies in der Schrift „Teut­sche Fürsten­staat“,  “dass auff der Menge wohl­ge­nehr­ter Leute der grösseste Schatz des Landes besteht.”

Von Secken­dorff bewer­tete den Außen­han­del so weni­ger nach Leistungs­bi­lan­zen, sondern nach Beschäf­ti­gungs­bi­lan­zen. Andere Kame­ra­li­sten wiesen im Blick auf Holland darauf hin, dass ein Staat, in dem verschie­dene Konfes­sio­nen gedul­det wurden, zu wirt­schaft­li­cher Blüte gelan­gen konnte. Fried­rich I. holte von Secken­dorff nach Preu­ßen, sein Motiv war klar: “Was thut Gott dem Bran­den­bur­gi­schen Hause für Gnade! denn dieses gewiß von Gott kommt.”

Die Peuplie­rung genannte plan­mä­ßige Wieder­be­sied­lung erfolgte meistens in durch Seuchen oder Kriege entvöl­ker­ten Gebie­ten. Dies hatte bereits der Urgroß­va­ter Fried­rich des Großen, der Große Kurfürst Fried­rich Wilhelm I. von Bran­den­burg, während des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges getan. Boden­schätze soll­ten erschlos­sen und Land­wirt­schafts­flä­chen nutz­bar gemacht werden. Unmit­tel­bar nach dem West­fä­li­schen Frie­den begann er mit der Kulti­vie­rung von Mooren.

Die Peuplie­rung ging oft mit einem forcier­ten Landes­aus­bau einher, um brach­lie­gende Ressour­cen zu nutzen und die  Staats­fi­nan­zen zu mehren. So wurden nach dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg Schwei­zer nach Bran­den­burg geholt, Feucht­ge­biete zu melio­rie­ren und die Milch­wirt­schaft zu verbes­sern, und ebenso wasser­bau­kun­dige Hollän­der; Fried­rich II. hat diese innere Kolo­ni­sa­ti­on­bei der Entwäs­se­rung des Oder­bruchs fort­ge­führt.

Es gab auch Peuplie­run­gen, bei denen Gren­zen gesi­chert und Verkehrs­ver­bin­dun­gen mit Perso­nal versorgt werden soll­ten. Zum Anreiz wurden den Kolo­ni­sten Zivil­rechte, Reli­gi­ons­frei­heit sowie soziale und wirt­schaft­li­che Anreize gewährt. Im Gegen­zug wurde erwar­tet, dass sie das neu gewon­nene Land urbar mach­ten und so die Macht und den Reich­tum des Staa­tes mehr­ten. 

Bran­den­burg-Preu­ßen wird in diesem Zusam­men­hang und vor allem im Blick auf die Huge­not­ten eine zentrale Rolle oftmals zuge­spro­chen — aber das ist eher eine Frage der Wahr­neh­mung. Die knappe Hälfte der nach Deutsch­land migrier­ten Huge­not­ten kamen nach Bran­den­burg-Preu­ßen und die meisten Huge­not­ten gingen sowieso nicht nach Deutsch­land, sondern nach Holland und England.

Die plan­mä­ßige Peuplie­rung erfolgte auch in vielen ande­ren deut­schen Staa­ten und auch nicht nur in den evan­ge­li­schen.

Peuplierung
Empfang von Huge­not­ten durch Kurfürst Fried­rich Wilhelm. Gemälde von E. A. Fischer-Cörlin (vor 1893). Deut­sches Huge­not­ten­mu­seum.

Die näch­sten Touren:

Anste­hende Veran­stal­tun­gen

Wer über geplante Touren infor­miert werden möchte, melde sich bitte bei info(at)unerwartet.org an. Die Anschrif­ten werden nicht weiter­ge­reicht und es erfol­gen ausschließ­lich Infor­ma­tio­nen über geplante Fahr­rad­tou­ren.

Die Herr­scher Bran­den­burgs nach dem
30-jähri­gen Krieg

1640–88
Fried­rich Wilhelm, „der Große Kurfürst“
(* 16. Februar 1620; † 9. Mai 1688)

1685 Pots­da­mer Edikt, in dem wegen ihrer Reli­gion verfolg­ten prote­stan­ti­schen Huge­not­ten freie und sichere Nieder­las­sung in Bran­den­burg ange­bo­ten wurde.

1688–1713
Fried­rich III. Ab 1701 Fried­rich I.
(* 11. Juli 1657; † 25. Februar 1713)

„Kurfürst Fried­rich III. von Bran­den­burg“. 1701 Krönung in Königs­berg zu: „Fried­rich I. König in Preu­ßen“.

1713–40
Fried­rich Wilhelm I., „der Solda­ten­kö­nig“
(* 14. August 1688; † 31. Mai 1740)

Star­kes Heer, das nur einmal Krieg führte. Einwan­de­rungs­pa­tent für Salz­bur­ger Prote­stan­ten. Spar­sa­mer Hof und straffe Verwal­tung, was im Zusam­men­hang mit seinem zwischen­mensch­li­chen Verhal­ten auch kritisch beur­teilt wird, Stoll­berg-Rilin­ger (DLF Nova) .

1740–72
Fried­rich II., „der Große“/„Alte Fritz“
(* 24. Januar 1712; † 17. August 1786)

„König in Preu­ßen“, Schle­si­sche Kriege 1742–1744 und 1744–1745, Schle­sien fällt an Preu­ßen, 400.000 Tote. Nach der 1. Polni­schen Teilung 1772: „König von Preu­ßen“.

Zusam­men­stel­lung aller Herr­scher Bran­den­burgs in der Wiki­pe­dia.

Schlag­wör­ter: