Frühling an der Krumme Laake

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Miles for Moor – Köpe­nicker Moore

„Miles for Moor“ ist das Programm der Stif­tung Natur­schutz, das die Klima­schutz­ab­gabe des Landes Berlin für getä­tigte Dienst­flüge der Berli­ner Verwal­tung zur Förde­rung des Natur­schutz einsetzt. Die Abgabe beschloss das Abge­ord­ne­ten­haus 2008 mit der Forde­rung an den Senat, so zu verfah­ren.

Vertre­ter der Stif­tung waren am 15.1.09 im Abge­ord­ne­ten­haus und spra­chen mit Abge­ord­ne­ten. Diese berich­te­ten erbost über den Finanz­se­na­tor Sarra­zin, dass er ihnen einen Strich durch die Rech­nung machen wolle. Er bestünde darauf, dass das Geld in Berlin bleibe und z.B. nicht in den Amazo­nas flösse.

Ich hatte sofort eine Idee und wir schlu­gen vor, die Einnah­men von der Klima­schutz­ab­gabe für die Rena­tu­rie­rung Berli­ner Moore zu verwen­den. Das geschah noch in demsel­ben Jahr. Es ist wie immer: die Vorstel­lung, dass wir unmit­tel­bar vor der eige­nen Tür etwas für die Natur machen können und selber­keh­ren müssen, bleibt uns fremd. Nur allzu gerne wähnen wir, dass woan­ders was getan werden müsse.

Berlin gibt seit­her ca. 50.000 € Steu­er­gel­der pro Jahr für die Rena­tu­rie­rung von Mooren aus. Von 2009–19 waren das 541,021 €; für Morast? – ist das sinn­voll und was soll das mit Klima zu tun haben, sind Fragen, die sich umge­hend stel­len. Doch ebenso schnell ist die Antwort zur Stelle:

Es gibt keinen Lebens­raum auf der Erde, der derart klima­re­le­vant ist
wie die Moore und der derma­ßen geschä­digt wurde wie die Moore.

Die Klima­re­le­vanz der Moore ist zentra­les Thema der Fahr­rad­tour.

 

 

Die Fahr­rad­tour hat eine Länge von 30 km und ihr Verlauf ist auf dem Routen­pla­ner komoot aufge­zeich­net, der kosten­frei genutzt werden kann.

Ein wenig beschwer­lich:
– Über die Pütt­berge schiebe ich mein Fahr­rad, steil und viele Kiefern­wur­zeln. Wer das nicht will, kann die Höhe der Düne umfah­ren und auf dem Pütt­ber­ge­weg über sie hinweg radeln.
– Ähnlich ist es beim West­arm der Krum­men Laake. Das sehr schöne Stück mit einem Blick auf den Rest­see kann folgen­der­ma­ßen umfah­ren werden: nach dem Südarm nicht nach rechts abbie­gen, sondern gleich gera­de­aus nach Müggel­heim weiter­ra­deln.
Aber: Pütt­berge wie auch der Blick auf die Krumme Laake sind wirk­lich sehr schön!

Zunächst geht es erst einmal in die Pütt­berge, den mit 40 m rela­ti­ver Höhe mäch­tig­sten Dünen der Mark Bran­den­burg. Sie liegen zwischen Rahns­dorf und dem Orts­teil Wilhelms­ha­gen.

Südlich von Wilhelms­ha­gen führt die Tour zur Spree, auf deren sump­fi­gen Wiesen vor 100 Jahren eine Wochen­end­sied­lung ange­legt wurde; in einem post­ko­lo­nia­len Reflex hieß sie nach dem schmerz­li­chen Verlust der Kolo­nien 1919 zunächst Neu-Kame­run, wurde aber bald passen­der Weise in Neu-Vene­dig umbe­nannt. Die Haupt­straße Rialt­oring geht über 4 Brücken. Im Innen­be­reich des Ortes gibt es kein Dauer­wohn­recht, da das Gelände zum Schutz Berlins seit 1890 als Über­flu­tungs­flä­che vorge­hal­ten wird.

West­lich liegt das alte slawi­sche Fischer­dorf Rahns­dorf, älter als Berlin. Die Orts­form eines Sack­gas­sen­dor­fes zeugt von der deut­schen Besied­lung vor Anfang des 13. Jahr­hun­derts.

In der Zeit vom 2. April bis 31. Okt. kann man 25 Minu­ten nach der vollen Stunde mit der
Fähre F23 nach Neu Helgo­land über­set­zen. Aber vorsichts­hal­ber sollte man bei bvg.de den Fahr­plan noch einmal über­prü­fen!
Weiter geht es in Rich­tung Müggel­see zu den Mooren. Das gesamte Gelände ist eizeit­lich geprägt und liegt im Warschau-Berli­ner-Urstrom­tal. Der Boden besteht aus See- und Moor­ab­la­ge­run­gen mit Sand, der Mudde, umgangs­sprach­lich Schlamm genannt, und Torf enthält.
 

Die Moore

Die Moore liegen in Natur­schutz­ge­bie­ten, dort besteht strenge Wege­pflicht sowie ein abso­lu­tes Betre­tungs­ver­bots. Auf Grund der fehlen­den Tritt­fe­stig­keit sollte man sowieso nicht die Wege verlas­sen und ins Moor gehen, bitte keine weite­ren Moor­lei­chen!  Zu den Köpe­nicker Mooren:

Nach 9,5 km (also 2,5 km nach dem  Über­set­zen) errei­che ich die Kleine Pelz­laake. Diese ist ein Kessel­moor mit 8,5 m Torf­mäch­tig­keit, das stark degra­diert und mit Bäumen, insbes. Kiefern, besetzt war. Sie wurde 2011 und 2012 rena­tu­riert. In den Karten wird i.d.R. eine Pelz­laake ange­zeigt, das ist ein ande­res Moor, 500 m weiter west­lich liegen­des. Dieses ist wesent­lich größer, jedoch ein flache­res, das ich nun umfahre und in das ich nach 11 und 11,5 km einen guten Einblick erhalte, jedoch ist bei Trocken­heit kaum noch Wasser zu sehen.

Die Krumme Laake hat die Gestalt eines Kreu­zes, in dessen Mitte ein Rest­see liegt. An seinem Ufer kann ich entlang laufen, jedoch nicht radeln. Es ist eine wilde Strecke, jede Menge umge­fal­le­ner Baum­stämme.

Die Tour steu­ert statt­des­sen zunächst das Ostende und dann den zentra­len Bereich des östli­chen Arms an. Danach gelange ich über den südli­chen zu dem west­li­chen Arm. Wenn ich ihn entlang gehe, errei­che ich das Mooru­fer in der Nähe des Rest­sees. Dort habe ich einen wunder­ba­ren Blick auf das rena­tu­rierte Moor. Dieses Wegstück ist jedoch beschwer­lich und kann umgan­gen werden, indem ich gerade aus weiter nach Müggel­heim radel.

Schließ­lich gelange ich nach Müggel­heim. Der Ort wurde zur Zeit Fried­rich II. (der Große) von pfäl­zi­schen Glau­bens­flücht­lin­gen gegrün­det, die aus Odern­heim in der Pfalz kamen. Sie gaben ihrer neuen Heimat den Namen Müggel­heim. Die beiden Haupt­stra­ßen heißen natür­lich Müggel­hei­mer Damm und Odern­hei­mer Str. Merk­wür­di­ger Weise war die Pfalz zu dieser Zeit ebenso prote­stan­tisch wie Preu­ßen und die Migrant(inn)en. Es handelt sich wohl weni­ger um eine Frage der Reli­gi­ons­frei­heit als viel­mehr um eine bevöl­ke­rungs­po­li­ti­sche Maßnahme, der Peuplie­rung, Ansied­lung von Arbeits­kräf­ten, in der Zeit des Merkan­ti­lis­mus.

Die Route geht ein Stück entlang des Müggel­sees (wahr­schein­lich vorsla­wisch und indo­ger­ma­nisch migh-, mighla = Nebel, Wolke). So groß der See auch ist, er ist sehr flach, nur 8 m tief. Es handelt sich um ein riesi­ges Toteis­loch, Spur der letz­ten Kalt­zeit, wie auch die neben ihm liegen­den Müggel­berge als Endmo­rä­nen davon zeugen.

Ich komme am belieb­ten Ausflugs­lo­kal Rübe­zahl vorbei. Nahezu völlig unbe­kannt ist, dass hier Welt­ge­schichte geschrie­ben wurde. Am 13. Juni 1953 erfolg­ten dort die Abspra­chen zu einem Streik, der sich zu einem Volks­auf­stand am 17. Juni entwickelte. Dies war der erste Aufstand in den dama­li­gen kommu­ni­sti­schen Staa­ten, nur 104 Tage nach Stalins Tod.

Gleich danach gelange ich zu dem Teufels­see­moor und dann zu den Neuen Wiesen. Diese sind ein Auen­wald mit sump­fi­gen Frei­flä­chen, der früher ein Moor war und nun als näch­stes rena­tu­riert werden soll.

Auf dem letz­ten Teil des Wegs radle ich entlang der Dahme durch Köpe­nick am Schloss auf der Schloss­in­sel vorbei. Auf der Insel resi­dierte seiner­zeit Jacza von Köpe­nick. Zum Schluss gelange ich zu der klein­sten Braue­rei Deutsch­lands (mit Bier­gar­ten) und zum Rathaus, in dem einst ein „Haupt­mann“ den preu­ßi­schen Staat bloß­stellte.

Die näch­sten Touren:

Anste­hende Veran­stal­tun­gen

Wer über geplante Touren infor­miert werden möchte, melde sich bitte bei info(at)radtouren.info an. Die Anschrif­ten werden nicht weiter­ge­reicht und es erfol­gen ausschließ­lich Infor­ma­tio­nen über geplante Fahr­rad­tou­ren.

Ein Lese­tipp:

Beate Witzel gab ihrem Buch “Steine, Mammuts, Toteis­lö­cher
den Unter­ti­tel “Auf den Spuren der Eiszeit in Berlin”. Das ist weit unter­trie­ben, man lernt in diesem klei­nen Büch­lein die Berli­ner Land­schaft verste­hen.

Stadt­mu­seum Berlin (978–3‑939254–25‑6), 18,50 €

Auf Seite 45 schil­dert Frau Witzel, dass von den 58 Berli­ner Bergen die Hälfte Trüm­mer­schutt oder Müll sind und nur einer eine echte Endmo­räne. Er ist auch mit 114,7 m NN der höch­ste, der Große Müggel­berg. Er und der Kleine Müggel­berg stehen inmit­ten des Berli­ner Urstrom­tals, recht unge­wöhn­lich.
Offen­kun­dig scheint während des Zurück­schmel­zens des Eises in der Bran­den­bur­ger Phase ein erneu­ter Vorstoß erfolgt zu sein, der dann im Urstrom­tal stoppte und dessen Eisrand­lage nun die Endmo­räne bildete.