Gleis 17

Die Geschichte dieser Gedenk­stätte ist ein wenig die Geschichte von West­ber­lin und West­deutsch­land. Sie wurde bis 1991 wieder­holt verschwie­gen und verfälscht. Die Bundes­zen­trale für Poli­ti­sche Bildung nannte 1989 als erste Gedenk­ta­fel die Bron­ze­ta­fel aus dem Jahr 1973 und verschwieg das Geden­ken von 1953.

Vom 18. Okt. 1941 an wurden von dem Bahn­hof Grune­wald und später von den Bahn­hö­fen Moabit und Anhal­ter Bahn­hof Jüdin­nen und Juden depor­tiert, zunächst nach Lodz,  Riga und Warschau, später nach Ausch­witz-Birkenau und There­si­en­stadt. Es waren über 50.000 Menschen, die fast alle ermor­det wurden. Die Depor­ta­tion in Grune­wald erfolgte meist vom Gleis 17.

Am 8. Novem­ber 1953, dem 15. Jahres­tag der Reichs­pro­grom­nacht, wurde die erste Gedenk­ta­fel am Signal­haus ange­bracht. Die Feier wurde von West­ber­li­ner Poli­zi­sten gestört, indem der Zugang zum Bahn­ge­lände gesperrt wurde, das zur Ostber­li­ner Deut­schen Reichs­bahn gehörte. Die Verei­ni­gung der Verfolg­ten des Nazi­re­gimes hatte die Gedenk­ta­fel initi­iert, aber sie galt als kommu­ni­stisch unter­wan­dert und wurde deshalb gestört. Aus unbe­kann­ten Grün­den wurde die Tafel dann bald entfernt.

Erst 20 Jahre später wurde wieder eine Gedenk­ta­fel ange­bracht, die nach 15 Jahren gestoh­len wurde.

Nach weite­ren 11 Jahren erfolgte 1987 ein über­dau­ern­des Geden­ken. Am Stell­wär­ter­häus­chen wurde eine Bron­ze­ta­fel ange­bracht mit der hebräi­schen Inschrift „Zum Geden­ken an die Opfer der Vernich­tung“ und darun­ter in Deutsch: „Zum Geden­ken an Zehn­tau­sende jüdi­scher Bürger Berlins, die ab Okto­ber 1941 bis Februar 1945 von hier aus durch die Nazi-Henker in die Todes­la­ger depor­tiert und ermor­det wurden.“

Im glei­chen Jahr, am 46. Jahres­tag der ersten Depor­ta­tion, hat eine Frau­en­gruppe der evan­ge­li­schen Kirchen­ge­meinde ein öffent­lich deut­lich erkenn­ba­res Denk­mal vor dem S‑Bahnhof erstellt, erstes Foto rechts.

Das Denk­mal des polni­schen Künst­lers Karol Broni­a­tow­ski wurde im Auftrag des Bezirks­amts 1991 errich­tet, es zeigt im Nega­tiv­ab­druck Menschen auf dem Weg vom Zwischen­la­ger zur Depor­ta­tion, zweite Foto rechts.

1998 erfolgte seitens der Deut­schen Bahn, die mitt­ler­weile die Betei­li­gung der Bahn an der Durch­füh­rung des Holo­caust einge­räumt hatte, die Errich­tung einer zentra­len Gedenk­stätte. An den beiden Bahn­steig­kan­ten des bei den Depor­ta­tio­nen meist­be­nutz­ten Glei­ses 17 wurden in zeit­li­cher Reihung eiserne Plat­ten verlegt, auf denen die Anzahl der depor­tie­ren Menschen und der Ziel­ort doku­men­tiert sind. (Die erste Platte auf dem drit­ten Foto erin­nert an  den Trans­port am 27.11.1941, dem  ersten nach Rumbula bei Riga, in dem meine Tante Bertha depor­tiert und dort von  deut­schen und letti­schen SS-Verbän­den ermor­det wurde.)

Der Bewer­tung der Gedenk­stätte seitens der Wiki­pe­dia kann ich nur aus tief­stem Herzen zustim­men: Das Mahn­mal Gleis 17 bildet in der Erschei­nung einen Kontra­punkt zum Denk­mal für die ermor­de­ten Juden Euro­pas.

Zunächst beschei­den im Äuße­ren, beein­druckt es den Besu­cher beim Betre­ten der Eisen­guss­plat­ten durch seine weit­läu­fige Dimen­sion, die sich beim Bege­hen erschließt. Die Vege­ta­tion, die im Laufe der Jahre einen Teil des Glei­ses erobert hat, ist als Symbol dafür, dass nie wieder ein Zug von diesem Gleis abfah­ren wird,  und wurde so in das Mahn­mal einbe­zo­gen.

Von diesem Bahn­hof wurde die Fami­lie Galin­ski depor­tiert; Heinz Galin­ski war der einzige Über­le­bende. Er war nach seiner Befrei­ung in der Bundes­re­pu­blik ein sehr bedeu­ten­der Präsi­dent des Zentral­rats der Juden, libe­ral und demo­kra­tisch äußerst enga­giert.

Er ist auf dem Jüdi­schen Fried­hof Heer­straße beer­digt. Seine Toch­ter aus zwei­ter Ehe, Evelyn Hecht-Galin­ski, ist sehr umstrit­ten, ich schätze sie sehr, sie ist eine “Jüdi­sche Stimme für gerech­ten Frie­den in Nahost”.

Denkmal Gleis 17
Denkmal Gleis 17
Denkmal Gleis 17