Festung Küstrin

Am bekann­te­sten ist die Festung  in der Verbin­dung mit der Katte-Tragö­die. Katte wurde hinge­rich­tet, weil er dem befreun­de­ten Kron­prin­zen Fried­rich II. beim Flucht­ver­such vor dem stren­gen Vater gehol­fen hatte. Hier­über ist unsäg­lich viel geschrie­ben worden und oft nicht zutref­fend. Fontane widmet sich dem Thema quel­len­kri­tisch auf 45 Seiten seiner „Wande­run­gen durch die Mark Bran­den­burg“. Er fand das Todes­ur­teil, das nicht das Gericht fällte, sondern der König dann erließ, äußerst hart, jedoch war es “besser, dass er stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme”, so zitiert er König Fried­rich Wilhelm. Das öffent­li­che Inter­esse galt und gilt ja auch dem Schick­sal des Kron­prin­zen und Katte nur in Verbin­dung mit ihm.

Fontane sah mit der Voll­streckung des Todes­ur­teils einen dunk­len Tag, aber auch den Beginn der Groß­ge­schichte, der “dieses gleich sehr zu hassende und zu liebende Preu­ßen, erwuchs.” — So musste ich es auch noch in der Schule lernen.
Eine ganz andere und äußerst nega­tive Wertung erfährt dieses Preu­ßen durch Histo­ri­ker wie von Karl Otmar von Aretin, der Fried­rich nicht als aufge­klär­ten abso­lu­ti­sti­schen Regen­ten sieht, sondern als Begrün­der einer verant­wor­tungs­lo­sen und machia­vel­li­sti­schen Tradi­tion in der deut­schen Außen­po­li­tik.

Aus Fontane: Wande­run­gen durch die Mark Bran­den­burg. Am nörd­li­chen Ende der Bastion Bran­den­burg wurde Katte hinge­rich­tet. Der Kron­prinz Fried­rich II soll am mit „F“ gekenn­zeich­ne­ten Fenster des Schlos­ses gezwun­ge­ner­ma­ßen gestan­den und zuge­se­hen haben.

Bildliche Darstellung der Festung Küstrin 1921
Festung Küstrin 1921. (Vladi­Mens CC BY-SA 3.0)

Mitte des 13. Jahr­hun­derts wurde Küstrin beim Zusam­men­fluss von Oder und Warthe gegrün­det. Zwei Jahr­hun­derte später erwarb es der zweite bran­den­bur­gi­sche Kurfürst Fried­rich II. 1535 erbte Johann von Bran­den­burg-Küstrin  die Mark­graf­schaft Bran­den­burg-Küstrin, erklärte Küstrin zur Resi­denz der Neumark und baute es zur Festung aus.

Er ging als Hans von Küstrin und Johann der Weise in die Geschichte ein. Hans war tief reli­giös und konver­tierte zum Prote­stan­tis­mus. Zusam­men mit seiner Frau Katha­rina von Braun­schweig verwal­tete er effek­tiv und spar­sam sein Land. Katha­rina setzte sich inten­siv für die Durch­set­zung der Refor­ma­tion ein, förderte das Tuch­ma­cher­ge­werbe sowie den Bau von Schu­len und Kirchen. Sie war haus­häl­te­risch und unter­hielt einen Garten. Sie eröff­nete zwei Apothe­ken, in Küstrin erhiel­ten Arme und Bedürf­tige unent­gelt­lich Medi­ka­men­ten. Schließ­lich legte sie Vorwerke und Melke­reien an, die sie selbst verwal­tete. Sie war in der Bevöl­ke­rung als “Mutter Käthe” äußerst beliebt.

Eine halbe Million Gulden, ca. 30 Mill. €, hinter­lie­ßen Katha­rina und Hans, während sein Bruder, Joachim II. Hektor, Kurfürst von Bran­den­burg, den fünf­fa­chen Betrag als Schul­den ange­häuft hatte. Da die Ehe keinen männ­li­chen Nach­kom­men hatte, fiel die Neumark an den Kurfür­sten von Bran­den­burg, Johann-Georg, Sohn von Joachims II., wieder zurück. Damit endete die kurze Zeit der Eigen­staat­lich­keit der Neumark.

In den folgen­den 400 Jahren wurde die Festung  kein einzi­ges Mal einge­nom­men. 

1920 ging der Status einer Festung verlo­ren und man begann mit dem Abriss von Festungs­an­la­gen, um Bauland zu gewin­nen.

Küstrin wurde im Krieg zerstört und wird teil­weise wieder aufge­baut. Stra­ßen und Häuser­re­ste sind erkenn­bar und altes Bild­ma­te­rial liegt vor. Man kann anschau­lich heraus­fin­den, wie es einmal aussah:

Zunächst war ich über die Wege und asym­me­tri­sche Anlage der Bastio­nen ein wenig desori­en­tiert, die kleine Skizze Fonta­nes hat mir dann weiter gehol­fen.

Eine ausführ­li­che Darstel­lung zur Geschichte und Gestalt der Festung und deren Restau­ra­tion hat „Azubi-Projekte“ im Auftrag der Tourist Infor­ma­tion Küstrin bereit gestellt: Altstadt & Festung Küstrin.
Histo­ri­sche Führun­gen bietet der Oder­bruch­guide Klaus Ahrendt in Küstrin insbes. im Blick auf die Katte-Tragö­die sowie in Seelow an.

Die Zerstö­rung der Festung ist ein sehr dunk­les Kapi­tel aus der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus und der Nach­kriegs­zeit:

Schema der Festung Küstrin während der Planung
Aus Fontane: Wande­run­gen durch die Mark Bran­den­burg

Am 25. 1. 45 wurde Küstrin wieder zur Festung erklärt und erhielt am 2. 2. einen neuen Komman­dan­ten, Heinz Reine­farth. Dieser war bereits während der Weima­rer Repu­blik im Frei­korp, der NSDAP und der SA aktiv. Als Soldat war er 1941/42 schwer verletzt und wurde Briga­de­füh­rer der SS. Er war für die Nieder­schla­gung des Warschauer Aufstan­des 1944 zustän­dig und befahl, alle Menschen zu erschie­ßen, die nicht deutsch waren. Allein im Stad­teil Wola sollen es bis zu 50.000 Zivi­li­sten gewe­sen sein.
Am 3.2. war Küstrin einge­schlos­sen, 11.000 Menschen, unter ihnen Volks­sturm und HJ. Am 23. und 27. 3. schei­ter­ten zwei Ausbruchs­ver­su­che. Am 28. gelang das südlich gele­gene Kiezer Tor in die Hände der Roten Armee und Sowjets gelang­ten in die Altstadt.

Am Nach­mit­tag dieses Tages zog sich der Festungs­kom­man­dant Reine­fahrt mit 1.000 Solda­ten auf die Oder­in­sel zurück, sprengte die Brücke und damit die einzige Rücks­zugs­mög­lich­keit für die übri­gen. Der Ausbruch erfolgte entge­gen dem Führer­be­fehl, darauf stand die Todes­strafe. So zog sich Reine­fahrth unter großen Verlu­sten mit seiner Truppe in den Westen zurück und ging in ameri­ka­ni­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft.
Die übri­gen Menschen sind gefal­len oder gingen in die sowje­ti­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft, am 30. war Küstrin befreit.

Reine­farth kam nach 3 Jahren frei. Er wurde entna­zi­fi­ziert. Reine­farth war Mitglied im Bund der Heimat­ver­trie­be­nen und Entrech­te­ten (BHE), einer reak­tio­nä­ren Partei, die Koali­ti­ons­part­ner im 2. Kabi­nett Adenauer war. Reine­farth war Mitglied des Land­ta­ges von Schles­wig-Holstein und von 1951 bis 1964 Bürger­mei­ster von Westerland/Sylt.
Dem entsprach das gesell­schaft­li­che Klima in der Bundes­re­pu­blik: Reine­farth war Grün­der des Lions Club auf Sylt und Vorsit­zen­der der DLRG und der Deut­schen Gesell­schaft zur Rettung Schiff­brü­chi­ger auf Sylt.

Die Auslie­fe­rungs­ge­su­che Polens wurden abge­lehnt!

All dies geschah nicht in Unkennt­nis der Öffent­lich­keit, sondern bewusst  und vorsätz­lich. Es gab gerade aus dem sozia­li­sti­schen Umfeld auf Sylt kriti­sche Stim­men und Aktio­nen, die auf diese Kriegs­ver­bre­chen hinwie­sen.

Bered­tes Zeug­nis legt der DEFA-Film “Urlaub auf Sylt” ab. Englisch­spra­chig kann “Holi­day on Sylt” auf youtube abge­ru­fen werden.

Seit 2014, also 70 Jahre nach dem Warschauer Aufstand,  erfol­gen mit öffent­li­chen und kirch­li­chen Bekun­dun­gen kriti­sche Bewer­tun­gen dessen, was während der Nach­kriegs­zeit geschah.