Eine verträumte Landschaft mit vielen Geschichten
Wir radeln von Kostrzyn (Küstrin) entlang der Warta (Warthe). Sie gilt als Nebenfluss der Oder, doch sie bringt mehr Wasser als die Oder; breit und meist gemächlich schlängelt sie sich durch die Flussauen, Wildnis, Wiesen, Weiden. Das Bruch ist weniger kultiviert als das Oderbruch und Heimat vieler Tierarten, ein zentrales Vogelschutzgebiet Europas. Manche Arten haben sich an den Menschen angepasst und die Kraniche z.B. findet man oft eher auf dem Maisacker als in der Wildnis des sumpfigen Uferlandes.
Das Warthebruch liegt in einem Gebiet, das mal Neumarkt genannt wurde. Unter den Piasten war es polnisch und dann 750 Jahre lang deutsch und wurde im Unterschied zur Altmarkt in Brandenburg nun Neumarkt genannt. Jetzt gehört dies Gebiet zur Woiwodschaft Lebus und wieder zu Polen.
Diese wechselvolle Geschichte hat ihre Spuren hinterlassen, bei weitem nicht immer traurig. Das beginnt in Dabroszyn (Tamsel), wo die Familie des Krimiautors “ky” (Prof. Bosetzky) herstammt und unter merkwürdigen Bedingungen geadelt wurde. Es war die Zeit des jungen gerade aus dem Gefängnis gekommenen Friedrich d. Großen mit dessen vergebliches Bemühen um die dortige Schlossherrin.
Wir treffen immer wiedere auf nicht erwartete Ortsnamen wie Charlestown, New York, Yorkstown, Budzigniew (Hampshire) und Jamno (Jamaika) sowie den Hinweis auf den Bahnhof Klein-Amerika; allesamt Spuren der Aufklärung und des Preußentums.
Beeindruckend ist der Wegweiserpark in Witnica (Vietz), wie hier das Elend der Kriege und Vertreibungen gezeigt wird, weder aufrechnend noch beschönigend, jedoch versöhnend.
In Witnica übernachten wir und überqueren am Folgetag die Warta (Warthe) mit einer Gierfähre.
In Slonsk (Sonnenburg) begegnet uns die Zwiespältigkeit deutscher Geschichte:
Hier wurde zum einen in einem alten Gefängnis von den Nazis eines der ersten KZs errichtet, in dem vor allem Oppositionelle, viele Politiker und auch zunächst Carl von Ossietzky gefangen gehalten wurden.
Und Sonnenburg war der Stammsitz der Johanniter. Zur Zeit Friedrich d. Großen war sein Neffe Markgraf Carl von Brandenburg-Schwedt Herrenmeister des Ordens und beim Bemühen um eine seriöse Fiskalpolitik Gegner der Trockenlegung des Oderbruchs.
Von Slonsk aus kann man tief in den Nationalpark Warthemündung radeln und auf dem Weg nach Kostrzyn (Küstrin) steht ein großer Beobachtungsturm, der einen weiten Blick über den Park zulässt.
Schlussendlich erreichen wir Kostrzyn (Küstrin). Die Festung, sagenumwoben mit der Katte-Tragödie, war vollständig zerstört und überwachsen (erinnerte mich ein wenig an Angkor). Mit einer behutsamen Restauration zeigt Polen nun, wie sie einst aussah.
Die Fahrradtour hat eine Länge von 78 km, ihr Verlauf ist auf dem Routenplaner komoot dokumentiert, der kostenfrei genutzt werden kann, weitere Sachinformationen.