
Durch den Grunewald
Die Spitze des Grunewalds krönt der Grunewaldturm, mitnichten. Er steht auf dem 83 m hohen Karlsberg. Mit 97 m ist der Havelberg, weiter südlich zwischen Schwarzer Weg und Havelchausse, die höchste Erhebung, aber ohne Ausblick. Dieser steht an dritter und der Karlsberg an siebente Stelle der natürlichen Erhebungen in Berlin.
Der Grunewald ist mit seinen rund 3.000 ha Waldfläche zwar nur der zweitgrößte Wald in Berlin, aber er ist der bekannteste. Dazu hat sicherlich der Gassenhauer „Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion“ (Rheinländer, Text von Otto Teich, vertont von Franz Meißner) beigetragen. Die Holzauktion hatte einen kapitalträchtigen Hintergrund.
Zum Wald gehört auch Wild, über beide gibt es Informationen auf der gesonderten Seite Wald.
Abweichend von der üblichen Darstellung in den Schulbüchern hat die eiszeitliche Entstehungsgeschichte der Grunewaldberge ihren ganz eigenen Verlauf gehabt.
Die Geschichte des Grunewalds, insbes. die Siedlungsgeschichte, ist wechselhaft und sie ist auch Abbild unserer wechselvollen und nicht immer friedlichen Geschichte.
Ein Lesetipp, eher Bildertipp:
Uwe Gerber hat bei seinem „Lauftreff Grunewald“ ab 2005 Lauftreff-Fotografien in Beziehung zu historischen Postkarten und Landkarten sowie später auch zu historischen Wanderführern gesetzt.
So beschreibt er die größte im Internet publizierte Fotosammlung des Grunewalds, ein Understatement. Gerber hat nicht nur gesammelt und publiziert, er kommentiert auch und stellt strittige Fragen, zum Jaczo-Turm z.B. oder, wo das Wasser vom Barssee blieb.
Für den Grunewald schlage ich zwei Touren mit jeweils einer Länge von 17 km vor:
• Nördlicher Grunewald vom S‑Bhf. Grunewald zum Ökowerk und
• Südlicher Grunewald vom S‑Bhf. Wannsee zum Ökowerk, beide sind auf Komoot verlinkt.
Die beiden Touren sind auch kombinierbar, indem die Tour durch den südlichen Grunewald 5 km vor dem Ende abgebrochen und über Königsallee und Fontanestraße beim Startpunkt der nördlichen Tour fortgesetzt und weitergeradelt wird, das sind dann alles zusammen 32 km.
Die dritte Grunewaldtour „6 x Geschichte in Ruhleben und im Grunewald“ wird hier nicht kombiniert, weil diese Tour vornehmlich historisch ausgerichtet ist.
Nördlicher Grunewald
Die Fahrradtour ist auf dem Routenplaner komoot aufgezeichnet, der kostenfrei genutzt werden kann.
Startpunkt ist der S‑Bhf. Grunewald, an dessem südöstlichen Ausgang gelangt man zur Gedenkstätte
Gleis 17
Von dem Gleis 17 wurden in der Zeit von Oktober 1941 bis Januar 1945 über 50.000 Jüdinnen und Juden nach Lodz, Riga und Warschau und ab 1942 nach Auschwitz deportiert und dort in den allermeisten Fällen ermordet.
Ich radel dann weiter zur
Sandgrube im Jagen 86
Ganz kurz bevor wir die Grube erreichen, stehen links in den Jagen 57 und 58 heimische Frühblühende Traubenkirschen, nicht zu verwechseln mit den den Wald so belastenden Spätblühenden. Die Frühblühende hat nicht so glänzende Blätter.
Der Grunewald ist von der Eiszeit stark geprägt. Aus dieser Zeit stammen große Sandflächen aus denen in den Jahren 1966–83 im Jagen 86 3,5 Mio m3 Sand entnommen wurden.
Ein wechselner Teil der Hänge der Sandgrube und der mittige Sandberg stehen Kindern und Jugendlich zum Spiel zur Verfügung. Die Kiesgrube ist bis zu 25 m tief und liegt damit unter dem Horizont des Grundwassers; so kann man hier sehr gut dessen Pegelschwankungen beobachten. Der größte Teil der Kiesgrube ist nicht so tief und trocken, so wechseln sich unterschiedliche Lebensräume, feuchte für Amphibien und trockene für Insekten, insbesondere die sonnenbeschiedenen Hänge. 1992 wurde diese 13 ha große Fläche unter Naturschutz gestellt. Das Ökowerk hat es übernommen die aus Nordamerika stammenden und sich massenhaft ausbreitenden Spätblühende Traubenkirsche und Robinie zu entfernen, zumindest deren Ausbreitung einzuschränken.
Einen guten Überblick gibt der Flyer der zuständigen Senatsverwaltung: Die Sandgrube im Jagen 86 des Grunewalds.
Ein kurzes Stück weiter sind auf der linken Seite in den Jagen 58 und 59 seit Jahrzehnten tote Eichen. Auch mit ungeübten Blick erkennt man schnell, wie viele unterschiedliche Moose auf einem einzigen toten Baum wachsen, und auf dem eine Vielfalt von Insekten sich tummelt. Für den Wald ist eine derartige Vielfalt von zentraler Bedeutung. sie “umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme“ (UN-Biodiversitätskonvention).
Düne mit dem Fledermausquartier
Wo einst mitten im Grunewald die US-Army 26 oberirdische Munitionsdepots errichtet hatte, sind nun Dünen mit einem Winterquartier für Fledermäuse entstanden.
Bei der weiteren Tour treffe ich kurz vor dem Barssee auf Berlins
Größte Kiefer
Frei stehende Kiefern sind für mich die schönsten Bäume, bilden ganz individuelle Kronen aus, sie sind farblich nicht festgelegt, ihre Rinde wechselt die Farbe von rot zu schwarz, anarchisch können sie ohne Regeln überall wachsen und sie sind zusammen mit den Birken die radikalsten Pionierbaumarten. Die schönsten Kiefern im Grunewald fand ich auf dem Havelhöhenwanderweg, kartographiert auf komoot. Und dennoch wird aus zwei Gründen über die Kiefern heftig geklagt, ihre Brandgefahr und ihr Wasserverbrauch. Da wechsel ich gleich mal das Thema und wir kommen zu einem See, leider zu einem ehemaligen, dem
Barssee
In den 50er Jahren ging ich zur Schule und mancher Wandertag endete an der Saubucht mit Pech- und Barssee, in dem damals Barsche lebten, die ihm auch seinen ursprünglichen Namen gaben. Der See hat sich seither sehr verändert, es gibt ihn so gut wie nicht mehr, das soll sich aber ändern, siehe Barssee. Es geht nicht nur um den Erhalt des Sees, sondern auch um die klimatisch so notwendige Renaturierung von Mooren.
Himmelsteich
Auf dem Weg zum Pechsee liegt links von mir ein kleines sehr schön aussehendes Gewässer, so sollten die anderen Seen hier auch aussehen. Man nennt derartige Lebensräume Biotop aus 2. Hand, für mich sind sie schlicht künstlich. Bei der Munitionsberäumung des Barssees hatte das schwere Gerät den Boden derart verdichtet, dass sich der kleine Himmelsteich bildete (Schwerter zu Pflugscharen). Wie so oft, immer wenn ein neuer Lebensraum entsteht, kommt es zu einer explosionsartigen Vermehrung von Arten, erst Pionierarten und dann nach und nach weitere.
Pechsee
Beim Pechsee finde ich nicht ganz so weit fortgeschritten dieselbe Situation wie am Barssee vor. In der Ausstellung WassErleben im Ökowerk wird dies sehr gut dargestellt, leider wegen Bauarbeiten bis 2024 geschlossen.
Auf der weiteren Tour träume ich von einem eBike, mit voller Wucht lerne ich nämlich das eiszeitliche Erbe, die Havelberge, kennen, steil bergauf, steil bergab. Auf dieser letzten Etappe bis zur Havel gelange ich zu einem Hochstand der Forsten auf dem die Bedeutung der
Baumarten
demonstriert wird. Es sind ganz unterschiedliche Waldbilder, westl.: Douglasie, Fichte und Hemlocktanne dunkel und viel zu dicht. Keine heimischen Bäume. Östlich hell, unterschiedliche Zonen mit Kraut und stehen gelassenen Bäumen, den Überhältern.
Und bald danach sind bei einer Aufforstung junge Bäume zu sehen, die in Stärkehülsen eingepackt sind, damit die Rehe sie nicht anknabbern. Die Rehe sind ausgesprochene Feinschmecker, sie fressen am liebsten die Endknospen und verbeißen mit ihrem selektiven Geschmack viele Bäume, die dann nicht mehr richtig aufwärts wachsen können.
Nun erreiche ich den Grunewaldturm und radele entlang der Havel zur Halbinsel
Schildhorn
Die Halbinsel umrankt eine Fabel, nach der der slawische Fürst Jaxa v. Köpenick vor den Askanier fliehend mit seinem Pferd über die Havel setzte, aus Seenot gerettet sich dann zum Christentum bekehrte. Dies gilt als die Geburtsstunde Brandenburgs.
An dieser Legende ist nichts zutreffend und das von Friedrich Wilhelm IV 1845 errichtete Denkmal peinlich, das “das halb an Telegraphenpfosten, halb an Fabrikschornsteine mahnt” (Fontane). Im Einzelnen habe ich das unter “Jacza von Köpenick und die Schildhorn-Legende” dargestellt, es geht nämlich um etwas ganz anderes.
Auf Schildhorn stand ein Bootshaus. 1943 versteckten sich Jüdinnen und Juden dort und unterhielten sich unabgehört auf Ruderbooten. Eine von ihnen war Inge Deutschkron.
Bei der nun letzten Etappe zum Ökowerk am Teufelssee fahre ich im Jagen 135 am linksseitig liegenden Friedhof Grunewald-Forst vorbei, Selbstmörderfriedhof genannt. Auf ihm wurden seit 1878 Menschen beerdigt, die sich selbst getötet hatten und dann von der Havel angeschwemmt wurden. Die Kirchen weigerten sich Selbstgetötete zu beerdigen, so musste der zuständige Revierförster dies übernehmen.
Auf dem Friedhof liegen Gefallene aus den Weltkriegen. Die Grabstätte 82 von Nico (Christa Päffgen) erfährt ständigen Besuch, Sektgläser, Briefe, Fotos, Haschpfeifen, all das wird ihr mitgegeben. Sie hat zusammen mit Velvet Underground in Andy Warhols Factory das “Bananenalbum” produziert, das wirtschaftlich ein Flopp war und von dem David Bowie sagte: “Das hier war von einer Coolness, die ich nie für möglich gehalten hatte, es war überwältigend.”
Die nächsten Touren:
Anstehende Veranstaltungen
Wer über geplante Touren informiert werden möchte, melde sich bitte bei info(at)unerwartet.org an. Die Anschriften werden nicht weitergereicht und es erfolgen ausschließlich Informationen über geplante Fahrradtouren.
Schlagwörter:
Südlicher Grunewald
Diese Tour soll im Frühjahr beschrieben werden.
Auf dieser Tour werden ganz andere Themen als im Nördlichen Grunewald verfolgt,
da sind die diversen Seen, die letztendlich nach der Quelle der Rehwiese am Nollendorfplatz fragen lassen.
Die Fahrradtour ist auf dem Routenplaner komoot aufgezeichnet, der kostenfrei genutzt werden kann.
6 x Geschichte in Ruhleben und im Grunewald
Dies ist nur eine Stichwortsammlung,
die im Frühjahr durch eine ordentliche Tourenbeschreibung ersetzt wird.
Die Fahrradtour ist auf dem Routenplaner komoot aufgezeichnet, der kostenfrei genutzt werden kann.
Radtour vom Urstromtal der Spree über eine Randmoräne der letzten Eiszeit: Ruhlebener Fließwiese, Murellenberge und ‑schlucht, Schildhorn und Grunewald.
Dabei sechs Orte mit besonderem Bezug zu neuzeitlichen Begebenheiten: Auswandererbahnhof Ruhleben, Murellenschlucht und Schanzenwald , Jüdischer Friedhof Heerstraße (Herren Kopfbedeckung) und Grab von Heinz Galinski, Jaxa von Köpenick und die Schildhorn-Legende, „Selbstmörderfriedhof“ mit Gräbern zarentreuer Russen und dem Nicos.