Eine Ruine mit zwei Geschich­ten

am Oderstrom 1715
Die Festung Bardyn Castrum (Bären­ka­sten) ca. 1715 von Oder­berg über die Alte Oder gese­hen, PD.

Die Festung Bardyn Castrum wurde ab 1353 gegen­über der Festung Oder­berg errich­tet, nach­dem diese von slawi­schen Wenden in Koali­tion mit Dänen zerstört worden war. Diese Festung stand auf einer Oder­in­sel. Nach der Trocken­le­gung des Oder­bruchs und der Verle­gung des Haupt­stroms nach Osten verlan­dete dies Gebiet und die Festung steht nunmehr am nord­west­li­chen Rand der Neuen­ha­ge­ner Insel. So weit zur Lage. Soweit die tradierte und meist veröf­fent­lichte Geschichts­schrei­bung.

Das Ganze hat aber eine lange Vorge­schichte:
Die Besie­de­lung dieser Gegend voll­zog sich bereits vor 12.000 Jahren in der Mittel­stein­zeit. Zahl­rei­che Funde gibt es aus der Jung­stein- und der Bron­ze­zeit. Im Binnen­schiff­fahrts-Museum sind Tüllen­beile, Gefäße, Kera­mik und Funde aus Gräber­fel­dern und vom Juden­fried­hof ausge­stellt.
Slawi­sche Sied­lungs­ak­ti­vi­tä­ten erfolg­ten in dem fast menschen­lee­ren Land bereits vor über 1.300 Jahren und seit­her ist das Land unun­ter­bro­chen besie­delt. Im 9. Jahr­hun­dert wurde von Wenden die spätere Albrechts­burg gebaut, was zahl­rei­che archäo­lo­gi­sche Funde bele­gen. Diese war für 400 Jahre eine pommersch-slawi­sche Fürsten­burg

Eine deut­sche Burg wurde erst zu Beginn des 13. Jahr­hun­derts von dem Aska­nier Albrecht II., Enkel Albrecht des Bären, errich­tet. Gleich nach Beginn seiner Regent­schaft ließ er 1205 eine Wasser­burg anle­gen, die jedoch wenig später von slawi­schen Pommern zerstört und sogleich wieder aufge­baut wurde. Zu ihrem Schutz wurde 1214 auf dem nahe gele­ge­nen heute Albrechts­berg genann­ten Berg die Festung Albrechts­burg erstellt. Am Fuß des Berges entstand eine mittel­al­ter­li­che Stadt.
Im Hoch­mit­tel­al­ter erfolgte viele Grün­dun­gen von Dörfern und Städ­ten, z.B. Brodo­win, Pehlitz und Plawe, nach deut­schem Recht, die Slawen muss­ten ihre ange­stamm­ten Wohn­plätze verlas­sen und die Feld­flur wurde vermes­sen und neu ange­legt.

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Das Dorf hieß Barsdy, bar gleich bren­nen und din gleich Düne oder Höhe und dann Wohn­höhle oder das Wendi­sche mit dem Frie­dens­gott Baro­vit? Die Slawen wohn­ten oft auf ihren gut gele­ge­nen Kiet­zen, meist in der Nähe von Burgen und auch Flüs­sen oder Seen. Die deut­schen Sied­ler zogen deshalb in ihre Nach­bar­schaft und, da Albrecht II. den Wenden deut­sches Recht gab und in ihrem Besitz beließ, verschmol­zen die Nieder­las­sun­gen mitein­an­der.
1353 erteilte der mittel­lose Mark­graf Ludwig VI. der Römer zwei Inve­sto­ren die Erlaub­nis zum Bau der Festung aus dem Abbruch­ma­te­rial nach der 1349 verlo­re­nen Schlacht. Diese Festung Bardyn Castrum wurde auf den Resten einer spät­sla­wi­schen Flucht­burg errich­tet. Die Festung sollte der Stadt und der Fluss­schiff­fahrt Sicher­heit bieten sowie die Einnahme von Zöllen ermög­li­chen. Den größ­ten Teil der Einnah­men durf­ten die beiden Unter­neh­mer behal­ten, von denen einer bald seinen Anteil weiter verkaufte. Heute nennt man so etwas public-private-part­ner­ship. Die Stadt blühte schnell auf und gene­rierte unter Karl IV 1375 die größ­ten Einnah­men Bran­den­burgs.

Für die amtli­che Website hat “die Stadt Oder­berg in ihrer über 775-jähri­gen Geschichte viel erlebt”, eine Verkür­zung, die sogar die Geschichte der Aska­nier und den Bau der Albrechts­burg ausschließt. Die umfäng­li­chere und private Website Oder­berg beginnt eben­falls erst mit Ludwig VI.

Das 1937  erschie­nene “Heimat­buch von Oder­berg und der nähe­ren Umge­bung” geht wenig­stens bis zum Beginn des 13. Jahr­hun­derts zurück, wenn es auch die Slawen im Wesent­li­chen nur als Angrei­fer und oft im Verbund mit Dänen im Auge hat. Ganz in diesem Stil wird dann auch auf der Infor­ma­ti­ons­ta­fel bei der Festung die Geschichte auf 450 Jahre verkürzt darge­stellt, unter Nicht­nen­nung des echten Namens Bardyn Castrum und mit der Erzäh­lung der Bären­story aus dem Barock.

In Deutsch­land ist es üblich gewor­den, sich über US-Ameri­ka­ner aufzu­re­gen, die von India­nern reden, wenn sie die indi­ge­nen Bewoh­ner Nord­ame­ri­kas meinen.
Nun mit unse­ren slawi­schen Vorfah­ren, denn  das waren viele auch, wie in der Geschichte der Mark Bran­den­burg gezeigt wird, mit ihnen gehen wir nicht besser um. Bei der Schild­horn-Legende um Jacza von Köpe­nick zeigte sich dies eben­falls.
 
Wenn in dem post­ko­lo­nia­len Diskurs zu Recht der Euro­zen­tris­mus kriti­siert wird, muss man hier von einer deutsch­zen­tri­sti­schen Sicht­weise spre­chen, die die Kultur­lei­stun­gen der Slawen nicht zur Kennt­nis nimmt.